Mittwoch, 25. Dezember 2013

Schlesische Weißwürste selber machen

Hallo ihr Lieben,
ich möchte euch heute davon berichten wie man schlesische Weißwürste herstellt. Es handelt sich hierbei, gemeinsam mit Kartoffelpüree und Sauerkraut, um das traditionelle Weihnachtsessen meiner Großeltern (gebürtigen Schlesiern). Dieses Essen ist auch heute noch weit verbreitet, und seit ich denken kann gab es auch bei uns am Heilig Abend immer dieses Gericht.
Ich lebe ja nun seit fast 10 Jahren in Österreich und dieses Jahr habe ich mir zum ersten mal vorgenommen "mein" traditionelles Weihnachtsessen für die Verwandtschaft meiner Freundin zu kochen.
Das erste Problem war schon einmal die Beschaffung der Würste. In Oberschwaben (meiner Heimat) gab es zumindest einige Metzger die um die Rezeptur der Würste wussten, und bei denen man sie rechtzeitig vor Weihnachten bestellen konnte. Nichtsahnend und frohen Mutes klapperte ich also in Graz die Metzgereien, oder wie man hier sagt Fleischhauereien, ab und versuchte mein Glück. Ich weiß nicht wie die Entwicklung in Deutschland ist, aber hier in der Steiermark gibt es fast keine als Familienbetrieb geführte Metzgereien mehr. Man kann Fleisch bzw. Wurst nur noch in Supermärkten kaufen, die ihre Produkte von Fabriken und Großproduzenten bekommen. Das Wissen um die vielen unterschiedlichen Verarbeitungsmöglichkeiten von Fleisch, Fett und anderen tierischen Produkten ist also nicht nur im Handwerk sondern natürlich auch in den Familien zu Hause fast ausgestorben. Ganze z w e i Metzgereien gibt es in Graz, die für mein Vorhaben in Frage kamen. Leider war ich bei beiden erfolglos. Das Ähnlichste das ich hätte bekommen können, wären Münchner Weißwürste gewesen. Nicht gerade meine Wunschvorstellung. In Ermangelung einer Alternative hatte ich mich schon fast mit dieser Alternative damit abgefunden, als mich meine Freundin auf die Idee brachte die Würste doch einfach selbst zu machen. Dass ich, der ich eigentlich alles ausprobiere, nicht selbst auf die Idee gekommen bin ist schon komisch. Gesagt getan.  Als Erstes galt es natürlich das Rezept herauszufinden. Auch das sollte kein einfaches Unterfangen werden. Auf manchen Internetseiten polnischer Metzgereien findet man zwar die Würste, diese werden dann aber natürlich nach einem streng geheimen Familienrezept hergestellt, dass jeweils vom Senior Chef am Sterbebett dem Juniorchef auf einem Stück Pergamentpapier, unter dem Schwur es niemals preiszugeben, überreicht wird, oder so ähnlich...
Alle Zutaten für schlesische Weißwürste

Nach langem stöbern stieß ich über googlebooks auf ein altes Buch mit dem Titel "Schlesische Wurstspezialitäten zwischen 1850 und 1950" oder so ähnlich... Jedenfalls wurde ich fündig. Unten stehendes Rezept habe ich mir aus den Angaben zusammen gestellt. Ein Anruf in einer der beiden Metzgereien bestätigte mir, dass alle Zutaten inklusive Naturdarm vorrätig wären. Auch das eine wahre Seltenheit. Wo bekommt man so etwas heutzutage noch ohne Vorbestellung.
Pünktlich am 23.12. abends hatte ich also alle Zutaten zusammen. Da ich ja noch nie Würste selbst gemacht hattee, haben wir das  Essen sicherheitshalber auf den ersten Weihnachtsfeiertag zu Mittag angesetzt. Das obligate schlesische Sauerkraut (Rezept auf Anfrage) hatte ich bereits am 24. vorbereitet. Meine optimistische Naivität veranschlagte 2 Stunden für Würste (Brät zubereiten, in Därme abfüllen, brühen und braten) und Kartoffelpüree. Schwerer Fehler wie sich herausstellen sollte.
Alle Zutaten (bis auf die Milch) gemischt
Nach dem Fleischwolf (1.Durchgang)
In der Küche der Schwiegermutter (sie war zu meinem Glück im Urlaub) gings los:
Alle Zutaten hergerichtet, den Rückenspeck hatte ich kleingeschnitten über Nacht in die Gefriertruhe genau wie die Milch, damit das Brät nicht zu warm wird wenn es durch den Fleischwolf gedreht wird. Die Küchenmaschine (der Schwiegermutter) hergerichtet, alle Zutaten (bis auf die Milch) vermischt und ab durch den Fleischwolf. So weit so gut. Das Ergebnis war leider trotz 2,5mm Lochscheibe nicht ganz so fein wie ich mir das vorgestellt hatte. Die Würste sollten eine ganz feine Masse haben und wie auf dem Bild zu erkennen waren nach einem Durchgang noch recht viele "grobe" Stückchen vorhanden.
Kalbsbrät nach dem zweiten Mal Fleischwolf
Also das ganze noch einmal durch den Fleischwolf, aber zuerst die gefrorene Milch untergemischt, die lässt sich zum Glück ganz leicht schneiden bzw. zerbröseln. Das Brät hatte dann eine Temperatur um den Gefrierpunkt, gut fürs Brät, schlecht für die Hände. Nach dem zweiten Mal "faschieren" und ein wenig umrühren sah das Ergebnis sehr gut aus. Also nächster Schritt: den Darm auffädeln. Es handelte sich um einen Dünndarm vom Schwein, bereits vorher gereinigt und in Salzwasser aufgeweicht.

Darm auffädeln

Dann ging es ans Befüllen. Die Maschine starten, bis das Brät vorne aus dem Stutzen kommt. Dann einen Knoten in den Darm machen und vorsichtig füllen. Das war der Punkt an dem ich realisiert habe, dass ich das nicht alleine schaffe. Es war derartig schwierig, dass Brät (diese klebrige Masse) in den Fleischwolf zu bekommen, dass ich 4 Hände gebraucht hätte um das zu bewerkstelligen. Zum Glück kam in genau diesem Augenblick meine Freundin nach Hause und half mit.
Rückblickend habe ich einen Grund gefunden warum das so schwer ging: Ich hatte vergessen den Fleischwolf für das Wurstfüllen umzubauen. Das Messer und die Lochscheibe kommen eigentlich raus, dann flutschts bestimmt besser. Nächstes Mal.
Das "Wursten"

Einmal ist uns der Darm gerissen, da muss man aufpassen und auch Luftblasen sind hin und wieder vorgekommen. Die kann man dann aber auch im Nachhinein mit einer Nadel aufstechen. Im großen und ganzen hat alles gut funktioniert. Am Schluss noch alle Würste abdrehen, einmal im Urzeigersinn, einmal gegen den Urzeigersinn und man erhält eine richtig schöne Wurstkette mit einem kleinen Schönheitsfehler. Meine Erwartung waren weiße Würste. Wie auf dem Foto zu sehen waren meine allerdings zart rosa. Gut kann man nichts machen, die Uhr tickt erbarmungslos weiter...  Die ganze Küche (der Schwiegermutter) war voller Brät und es waren bereits 1.5 Stunden vergangen. Zur Erinnerung geplant waren zwei Stunden für das gesamte Programm.

Weißwürste frisch gefüllt und noch ganz rosa
Der Stresspegel stieg also merklich, aber zum Glück war das schwierigste ja bereits geschafft.
Nächster Schritt: die Würste brühen. Wenn man kein Metzgergeselle ist würde man unter "brühen" warscheinlich "in kochendes Wasser werfen" verstehen. Dem ist leider nicht so. Würde man das so machen hätte man geplatzte Brät-Darmpampe in kochendem Wasser, Mahlzeit! Aber ich bin aus vergangenen Projekten ja lernfähig und habe mich vorher informiert was es mit einer Brühwurst auf sich hat. Mein Rechercheergebnis: Pro Millimeter Durchmesser, die Wurst ca. 1 Minute in ca. 70°C heissem Wasser baden. Thermometer hatte ich natürlich keines, deshalb einfach so heiss bis man nicht mehr rein fassen kann ohne das Gefühlt zu haben sich zu verbrennen, und dann noch ein bischen heisser. Ist nicht sehr exakt die Methode, hat aber funktioniert. Es muss ja schließlich noch Verbesserungspotential fürs nächste Mal geben.
Die gebrühten Weißwürste
 
Inzwischen haben wir dann die Kartoffeln gewaschen, geschält und gekocht, dann waren die Würste fertig und simsalabim, sie waren weiß. Offensichtlich änderte das Brät die Farbe beim kochen. Wieder was gelernt. Die Würste sahen jetzt wirklich schon so aus wie die, die wir früher beim Metzger gekauft haben. Ich habe sie zum Abkühlen ein paar Minuten nach draußen gestellt und dann gings bereits weiter mit dem Einschneiden. In Butter werden sie dann langsam gebraten, bis sie von beiden Seiten schön braun sind.
Zusammen mit Sauerkraut, Kartoffelpürree, brauner Butter und nicht zu vergessen Bockbier, war das Weihnachtsessen dann mit nur 20 Minuten Verspätung fertig und hat allen sehr gut geschmeckt.

Ich werde ab jetzt jedes Jahr die Tradition aufrecht erhalten, in Gedenken an meinen Opa Kurt und meine Oma Elisabeth, die sich sicher sehr freuen wenn sie "von oben zu schauen".

Da Brutzeln sie in der Pfanne

Allen anderen die das Rezept ausprobieren möchten wünsche ich viel Erfolg, hier noch die Zutaten für 15-20 Würste je nach Größe:

1 kg Kalbsschulter
500 g Schweinerückenspeck (wirklich n u r Fett, also ohne Fleisch)
ca 400 ml gefrorene Milch (das Brät muss halt schön klebrig sein)
1 Schluck Weißwein
Schale einer abgeriebene Zitrone
20 g Kartoffelstärke
2 g Muskatblüte (gemahlen)
40 g Salz
4g Zucker
4g Pfeffer

Schlesische Weißwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpürree


6 Kommentare:

  1. Klasse Rezept. Vielen Dank! Vielleicht nehmen wir die schlesischen Würste im nächsten Jahr in unser Weihnachtsmenü-Programm auf.
    Herzliche Grüße nach Graz Deine Tante Gitti

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  2. Freut mich. Viel Erfolg. Herzliche Grüße und guten Rutsch!

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  3. Vielen Dank für den Artikel, das muss ich unbedingt ausprobieren.

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  4. Vielen Dank für das Rezept,unser schlesischer Metzger hat leider aufgehört.Natürlich hat er mir das Rezept nicht verraten so bin ich froh diesen Artikel im Internet zu finden.Ich habe das Rezept letztes Jahr ausprobiert,die Würste schmecken genau wie die vom Metzger sehr gut.Allerdings machen wir eine Honigkuchentunke dazu.

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  5. Danke für das Rezept. Mich würde allerdings interessieren, wie das Buch tatsächlich heißt. ("oder so ähnlich..." hilft nicht wirklich weiter.
    Ansgar

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  6. Total super, das muss man sich erst einmal trauen. Kompliment

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